Der leere Raum
Einer las aus dem großen Buch der Möglichkeiten, inhalierte fremde Sätze und atmete sie als Rauch aus. Der andere hörte zu und formte aus der reinen Luft eine Antwort, so greifbar wie eine Sprechblase aus vergilbtem Papier.

Ein Gedanke, einmal ausgesprochen, muss wandern. Er verlässt den sicheren Ort seiner Entstehung und begibt sich auf den schmalen Steg der Logik, der über dem Abgrund des Vergessens schwebt. So ging er los, dreifach gespalten in seine Natur: Zuerst als zögerliche Erinnerung, die zurückblickt. Dann als entschlossene Gegenwart, die stur geradeaus starrt. Und schließlich als blinde Hoffnung mit einem Koffer voller Konsequenzen.

Die wirklich schweren Gedanken aber, jene, die eine ganze Epoche formen sollten, trug man gemeinsam. Sie marschierten im Gleichschritt über das gekrümmte Ziffernblatt der Geschichte. Einer trug die alten Karten, ein anderer einen Ventilator für frischen Wind, ein dritter nur das Gewicht seiner eigenen Zweifel. Und während sie oben den Fortschritt vermaßen, schleppte unter ihnen ein anderer die Last der Fundamente die endlose Treppe der Mühe hinauf.

Und am Ende jeder Reise, nach jeder konstruierten Wahrheit, saßen sie wieder da. Jeder auf seinem eigenen, neu errichteten Turm der Erkenntnis. Getrennt durch den Riss, den jede neue Idee in die Welt schlägt, aber für einen kurzen Moment verbunden durch den winzigen Tisch eines geteilten Moments. Sie stießen an, nicht auf das, was sie gebaut hatten, sondern auf den leeren Raum dazwischen. Den Raum, der mit dem nächsten Wort gefüllt werden musste.
