Der Gärtner vom Kapitol
Es begann unauffällig. Ein paar seltsam leuchtende Pilze in den Beeten rund um das Kapitol, die die Gärtner nicht identifizieren konnten. Sie rissen sie aus, doch sie kamen wieder, größer und zahlreicher. Dann tauchten die Rosen auf, tiefrot und mit Dornen wie Stacheldraht, die sich aggressiv durch die gepflegten Rasenflächen schlängelten.
Niemand bemerkte den Mann, der nur nachts kam. Er trug einen Mantel und einen Korb, aus dem ein schwacher, erdiger Geruch aufstieg. Sie nannten ihn später den „Gärtner“, obwohl er nie offiziell angestellt war. Er sprach nicht, er pflanzte nur. Er grub kleine Löcher mit seinen knochigen Fingern und setzte Sporen, die wie Staub aussahen, und manchmal, so flüsterten die Nachtwächter, legte er auch Knochen in die Erde.
Ein Bild, das die Runde machte, zeigte einen dieser neuen Pilze – einen prächtigen, rot-weiß gefleckten Fliegenpilz –, der direkt aus einem vergilbten Schädel wuchs, der halb im Rosenbusch verborgen lag. Die Behörden waren alarmiert, sprachen von Vandalismus, von einem makabren Scherz. Doch die Pflanzen wucherten weiter.

Bald änderte sich die Wahrnehmung der Stadt. Die Luft schien dicker, die Farben intensiver. Touristen berichteten von seltsamen Visionen: schwebende Schädel, die über dem Kapitol lachten, während die Rosen in unnatürlichen Farben glühten und die Pilze zu pulsieren schienen. Die strengen Linien der Macht begannen zu verschwimmen, aufgelöst in einem psychedelischen Farbenmeer.

Nachts wurde es besonders seltsam. Im Dunkeln schienen die Pilze riesenhaft zu werden, ihre Kappen wie rote Laternen in der Finsternis. Die Schädel in den Beeten schienen zu flüstern, und die Rosen verströmten einen schweren, betäubenden Duft. Das Kapitol wirkte fern und unbedeutend, wie ein Relikt einer anderen Zeit, während die Natur – oder etwas anderes – die Kontrolle übernahm.

Schließlich erreichte das Phänomen seinen Höhepunkt. Die Vegetation explodierte förmlich. Skelette, mit Rosen und Pilzen verwachsen, schienen aus dem Boden zu kriechen. Die Pilze tropften und verformten sich, die Schädel grinsten mit leeren Augenhöhlen, in denen manchmal kleine Pilze wuchsen. Die ganze Szenerie badete in einem fiebrigen, gelben Licht, als hätte die Realität selbst nachgegeben. Das Kapitol war nur noch eine Silhouette in einem wilden Garten des Lebens, des Todes und des Wahnsinns.

Der Gärtner wurde nie wieder gesehen. Manche sagten, er sei selbst zu einem Teil seines Gartens geworden, seine Knochen nun Nahrung für die Pilze und Rosen. Was er gepflanzt hatte, war mehr als nur Vegetation. Es war ein Traum, ein Albtraum, eine Erinnerung daran, dass unter jeder Struktur, jeder Macht, die Erde wartet – wild, unberechenbar und ewig.