Das Fenster zur Anderswelt
Alma und das Fenster zur Anderswelt
Alma steht still. Sie steht immer still, auch wenn sich die Welt um sie herum dreht, flackert und verwandelt. Sie ist der Ankerpunkt. Um sie herum schweben ihre ständigen Begleiter: der nachdenkliche Mond zur Linken, die schlafende Sonne zur Rechten, die wissende Katze darüber und der stille Wächter daneben. Kleine Zettelchen und verblasste Bilder kleben an der Wand, Zeugen vergangener Zeiten in dieser Gasse, die sich anfühlt wie ein Labyrinth unter klarem Himmel.

Doch dann, ohne Vorwarnung, löst sich der Boden auf. Die warmen Mauern zerfallen zu Sternenstaub. Alma steht nicht mehr in einer Gasse, sondern treibt im tiefen Samt des Alls. Um sie herum wirbeln kosmische Nebel, und seltsame Wesen ziehen ihre Bahnen. Ein rotes, gehörntes Tier mit einem riesigen, wachen Auge starrt sie an, während auf der anderen Seite eine Kreatur aus leuchtenden Netzlinien gemächlich vorbeizieht. Über ihr schwebt ein Wort, das sie nicht entziffern kann – „SCMILE“? – wie eine Botschaft aus einer anderen Dimension. Die Masken neben ihr scheinen im Sternenlicht noch undurchdringlicher.

Ein Wimpernschlag, und die Schwerelosigkeit weicht einer seltsamen Erdung. Alma sitzt nun. Neben ihr auf der leuchtend roten Bank, die aus dem Nichts aufgetaucht ist, hockt eine Gestalt. Schwarz, blockig, mit Kreideaugen und einem aufgemalten weißen Maul, erinnert sie an einen Bären aus einem vergessenen Kindertraum. Die Umgebung ist unklar, Farbflächen in Grün und Braun, aber die Bank gibt Halt. Der Bär sagt nichts, schaut nur geradeaus. Eine stille, fast melancholische Gemeinsamkeit in diesem Zwischenraum. Almas Hand berührt fast die Kante der Bank, eine Verbindung zur aktuellen Realität.

Plötzlich Lärm. Kein kosmischer Gesang, kein stilles Einverständnis, sondern das Echo von Metall und Verfall. Die weichen Farbflächen sind einer grauen, bedrohlichen Szenerie gewichen. Verwitterte Kabel hängen schlaff herab, im Hintergrund ragen rostige Konstruktionen auf. Und direkt neben ihrem Fenster stehen sie: riesige Roboter. Einer gelb, einer grün, beide gezeichnet von Zeit und Vernachlässigung, ihre großen, dunklen Augen scheinen direkt durch Alma hindurchzusehen. Sie spürt die Kühle und die Verlassenheit dieses Ortes, eine Zukunft oder Vergangenheit, die sie nur beobachten kann.

Und wieder ein Wechsel. Das Harte, Kalte weicht einer dunklen, aber verspielten Nacht. Der Raum ist erfüllt von einer fast kindlichen Energie. Große, leuchtende Katzenköpfe schweben heran, manche freundlich, manche mit glühenden Augen. Herzen in Rot und Türkis tanzen wie Seifenblasen durch die Dunkelheit, begleitet von silbernen Mondsicheln. Worte erscheinen und verschwinden – „KLIS“, „PLOANNI!“, „NAKTI“ – Laute einer unbekannten, aber irgendwie vertrauten Sprache. Eine kleine rote Bank steht verloren im Raum, ein Echo der vorherigen Szene. Es ist, als hätte jemand die Seiten eines magischen Buches aufgeschlagen.

Alma bleibt. Das Fenster, der Vorhang, die Masken – ihr Ankerpunkt. Sie weiß nie, wohin der nächste Blick sie führen wird. Ist sie die Träumerin, oder träumt die Welt um sie herum? Vielleicht spielt es keine Rolle. Sie ist die Beobachterin am Schnittpunkt der Realitäten, ihr stilles Gesicht ein Spiegel für die unendlichen Möglichkeiten, die jenseits des Vorhangs liegen. Und draußen wartet schon die nächste Welt darauf, durch ihr Fenster zu scheinen.